Chronik des Kirchenchores St. Johannes Bislich für die Jahre 1855 - 1980 erstellt durch den damaligen Präses, Herrn Pfarrer Gerhard Dingermann , aus Anlass des 125-jährigen Bestehens des Bislicher Kirchenchores.
1855 | 1859 | 1898 | 1902 | 1913 | 1931 | 1932 | Kriegsjahre | |
1946 | 1949 | 1951 | 1956 | 1962 | 1973 |
Liebe Mitglieder des Kirchenchores!
Leichsinnigerweise habe ich mich einmal bereit erklärt, Ihnen zum Jubiläum eine kurze Geschichte des Kirchenchores St. Johannes Bislich zu schreiben. Einmal steht aus früheren Zeiten nicht viel zur Verfügung, ein andermal steht allerdings in der Chronik so viel, dass ich Mühe habe, alles recht unterzuordnen.
Vor Jahren habe ich bei einem 300-jährigen Jubiläum in einer Kirche eine Predigt gehört, die ungefähr so begann: Liebe Christen! Viele von Ihnen haben sicher schon einmal ein 25-jähriges Jubiläum gefeiert, einige auch schon ein 50-jähriges, wer von ihnen aber hat schon einmal ein 300-jähriges gefeiert? Anschließend haben wir priesterlichen Mitbrüder des Predigers herzlich über diese Worte gelacht. Eine dumme Feststellung, so sagten wir, ein Mensch wird nicht so alt, dass er ein 300-jähriges Jubiläum feiern kann.
Ein ganz klein wenig denke ich heute anders, wo wir das 125-jährige Jubiläum des Kirchenchores feiern wollen. Es geht doch nicht einfach hier um das Jubiläum eines imaginären Kirchenchores. Sie, die Mitglieder dieses Chores, sind es, die feiern und gefeiert werden sollen. Sie tragen das Erbe dieses Chores. Ein so langes Erbe weiter zu tragen, ist nicht immer leicht. Oft möchte man alles abschütteln, wie so vieles heute und auch in früheren Zeiten abgeschüttelt wurde. Ein Erbe gibt einem andererseits aber auch einen gewissen Halt. Was 125 Jahre Bestand hatte, kann nicht auf Sand gebaut sein, es ist auch nicht veraltet, es ist jung geblieben. Immer wieder neue Zweige wird der Baum des Kirchenchores erhalten. Es kann schon mal Bruch geben und altes Holz abgeworfen werden, doch es wird immer wieder auch ein neues Reis ergrünen, da der Kirchenchor eng mit der Geschichte der Kirche verbunden ist. Das Gotteslob wurde und wird immer wieder gesungen und die ganze Gemeinde ist der große Kirchenchor. So wie es früher einmal An- und Vorsänger gegeben hat, entwickelten sich im Laufe der Zeit aus diesen die Chöre zur Unterstützung der Gemeinde. Später kam dazu als eigentliche Aufgabe: die feierliche Gestaltung des Gottesdienstes. Wie gesagt, es kann schon einmal auch im Gebälk eines Chores krachen, das bedeutet allerdings nicht gleich Weltuntergang. Es wird immer wieder weitergehen. Früher gab es auch so etwas schon bei den Vorsängern, weil diese Vorsänger Vorgänger des Kirchenchores waren gehört es auch mit zur Geschichte des Chores, von diesen Vorsängern in unserer Gemeinde zu sprechen. Kantore nannte man sie, ein Ausdruck, der auch heute wieder gebraucht wird. In den alten Unterlagen der Pfarre habe ich von Schwierigkeiten gelesen, die im Jahr 1913 zwischen dem damaligen Organisten Neuhausen und dem Kantor Kühnen auftraten. Da stehen so nette Bemerkungen, wie z. B. ein Schreiben des Pfarrers Terstappen: Bislich, 2.4.1913. Herr Neuhausen! Heute morgen haben sie in der Requiem-Messe auch die Gesänge des Choranten mitgesungen. Wer hat ihnen dazu die Erlaubnis gegeben? Ich verlange in 24 Stunden schriftliche Aufklärung!
Solche und ähnliche Schwierigkeiten hat es auch im Laufe der Jahre im Chor gegeben. Diese Schwierigkeiten sollen aber hier nicht dokumentiert werden. Ich wollte auch kein Sündenregister anlegen, so wie es 1913 schon Aufstellungen gab, an welchen Tagen und zu welchen Gottesdiensten der Chorant gefehlt hatte. Das Fehlen der Mitglieder wird also hier nicht aufgeführt werden. Mein Bericht soll vielmehr ein Bericht über die Liebe zum Gesang, zum Gotteslob und auch zur Geselligkeit werden. Alles das gehört zusammen. Wenn man Gott liebt und lobt, muss man auch seine Mitmenschen lieben. Geselligkeit ist echte Menschlichkeit, die es auch heute noch zu pflegen gilt, und Geselligkeit ist auch mit Gesang verbunden. Durch diesen Bericht will ich ein wenig den Boden auflockern, damit nach 125 Jahren unser Chor in seinen Mitgliedern lebendig bleibt und vielleicht im Jubiläumsjahr den Chor viele neue Mitglieder zugeführt werden.
Das erste Dokument des Kirchenchores ist eine alte Fotografie aus dem Jahr 1859. Pfarrer in Bislich war damals Franz Cramer. Der Chor selbst ist aber schon unter seinem Vorgänger Pfarrer Eberhard Hering gegründet worden. Nach der Chronik der Bislicher Pfarrer in der Heimatzeitschrift "Vergangenes aus Bislich und Diersfordt" war Pfarrer Hering im Alter erblindet. In dem Lehrer Wilhelm Langhoff hatte er eine Hilfe nicht nur in der Führung der Kirchenbücher gefunden. Wilhelm Langhoff war ein echter Lehrer alter Art, der sich auch um das Orgelspiel und den Küsterdienst kümmerte. Ganz sicher besserten die Lehrer so in der Vergangenheit ihr kärgliches Gehalt etwas auf. Lehrer Langhoff ging es aber um den Gottesdienst und das Lob Gottes, deshalb gründete er 1855 den so genannten "Männergesangverein" und er wurde auch sein Dirigent. Dieser Männergesangverein hatte sich die Aufgabe gestellt, neben der Geselligkeit auch "den kirchlichen Gesang zu fördern und zu pflegen", wie es in der Chronik heißt. Damals gab es noch keine Cäcilienvereine. Auf dem Bamberger Katholikentag 1868 wurde der Cäcilienverein erst gegründet.
Lehrer Langhoff ist auf unserem alten Bild aus dem Jahr 1859 zu Recht der Mittelpunkt. Nach diesem Foto zu urteilen, gab es neben dem Dirigenten schon 21 Mitglieder. Es gab aber auch noch etwas: eine Fahne. Ein Verein ohne Fahne war eben kein Verein. Fahnenträger war Bernhard Hegmann. Bekanntlich lebt aber ein Chor nicht von der Fahne und den Fahnenträgern, die Seele des Chores ist der Dirigent. Mit dem Gründerdirigenten Langhoff war diesem Chor eine gute Seele gegeben. 1898 trat Lehrer Langhoff in den Ruhestand. Damals hat man sicher schon gemerkt, dass auch der jeweilige Pfarrer neben dem Dirigenten für einen Kirchenchor wichtig ist. Bislich und sein Chor hatten Glück, dass nach den Pfarrern Franz Cramer und Wilhelm van Gulick Pfarrer Baumann und sein Kaplan Havixbeck besonders bemüht waren, den Chor in der Sorge um den Kirchengesang zu unterstützen. Pfarrer Baumann verpflichtete deshalb auch den ersten hauptamtlichen Küsterorganisten nach Bislich. Johann van Bebber wurde so 1898 Dirigent des Vereines. 1899 wurde Pfarrer Terstappen in Bislich eingeführt. Der Dirigent van Bebber verließ am 01. Januar 1902 schon wieder Bislich. Eine zwischenzeitliche Regelung führte Karl Hegmann aus Haffen bis zum 01. Juli 1902 nach Bislich. 'Wir kennen ja solche Regelungen. Als unser Chorleiter, Herr Lenneps, im Jahr 1979 erkrankte, mussten wir auch auf Haffen zurückgreifen. Pfarrer Terstappen holte am 01. Juli 1902 Herrn Hermann Neuhausen aus Büderich, Kreis Neuss nach Bislich als Küster, Organist und Chorleiter. Bis 1950 hat er diese Aufgabe wahrgenommen. Pfarrer Terstappen wandelte auch den Männergesangverein in einen Pfarr-Cäcilienverein um, wie seit 1868 die Kirchenchöre genannt wurden. Die Statuten dieses unseres Cäcilienvereins wurden vom damaligen Domkapitular Dr. Schmidt am 24. Januar 1906 genehmigte. Nach diesen Statuten ist der jeweilige Pfarrer Präses des Vereins und der Kaplan Vizepräses. Auf unserem alten Foto aus dem Jahr 1859 ersehen wir, dass es damals aber auch ohne Statuten so gewesen ist. Es stehen dort auch der damalige Pfarrer Baumann und der Kaplan Biermann bei den Mitgliedern des Chores. Der Männergesangverein war also damals schon ein echter Kirchenchor. Ein Dokument des bischöflichen Generalvikariates Münster vom 26.09.1902 aus den kirchlichen Akten berichtet in deutscher Schrift, die viele heute nicht mehr lesen können: Aufgrund des Beschlusses des Kirchenvorstandes zu Bislich vom 06. Mai a.d. wird der Herr Hermann Neuhausen daselbst als Küster und Organist an der dortigen Pfarrkirche in der Erwartung angestellt, dass er, wozu wir ihm Gottes Gnadenbeistand erflehen, die Pflichten dieses Amtes allzeit pünktlich und gewissenhaft nach den Bestimmungen der Dienstordnung vom 12. November 1887 erfüllen werde. In dieser Voraussetzung wird ihm der Genuss der mit dieser Stelle verbundenen Rechte und Einkünfte zugesichert.
Was mir hier und auch später aufgefallen ist: Immer wieder ist die Stelle eines Organisten mit der Stelle des Küsters verbunden. So war es schon beim Lehrer Langhoff, bei Johann van Bebber und jetzt auch bei Hermann Neuhausen. Heute bezweifelt man manchmal, ob dies eine glückliche Verbindung ist. Man meint, ein guter Küster braucht kein guter Musiker zu sein und umgekehrt. Alles das kann schon einmal wahr sein. Zu überlegen ist aber folgendes: Küster ist das deutsche Wort für Custos = Wächter,Hüter, Schützer. Bei allen größeren pflegerischen Werken, wie z. B. Museen, hat man so einen Custos. Ihm obliegt die ganze Sorge für die Erhaltung eines kulturellen Erbes. So hat in der Kirche auch der Custos/Küster die besondere Aufgabe der Pflege und Erhaltung nicht nur der Gebäude, sondern des kulturellen Erbes der heiligen Liturgie. Dazu hat immer schon der Gesang des Lobes Gottes gehört. Es ist ein Glücksfall für eine Gemeinde, eine Person zu finden, die alle solch guten Eigenschaften eines Küsterorganisten auf sich vereint. Ganz viel Geld konnte in alten Zeiten eine Kirchengemeinde dafür nicht aufwenden. Ein Kirchenvorstandsbeschluss aus dem Jahr 1902 weist als Jahresgehalt für Herrn Neuhausen nebst freier Wohnung und Stolgebühren 550,00 Mark Jahresgehalt auf. Es wurde für das Amt eines Küsterorganisten schon ein echter Idealist gefordert. Dieser Idealismus war und ist nicht nur für den Chorleiter, sondern auch für die Mitglieder eines Kirchenchores notwendig. Herr Neuhausen hat sich mit Leidenschaft bemüht, solche Idealisten für seinen Chor zu finden. Gescheitert ist es allerdings bei dem Versuch, einen Knabenchor zu gründen. Es gelang ihm aber, Damen für den Kirchenchor zu gewinnen, so konnte 1924 mit Genehmigung von Präses Pfarrer August Terstappen ein gemischter Kirchenchor gebildet werden. Harte Jahre, von denen in der Chronik allerdings nicht berichtet wird, müssen aber, bis es zu dieser Neugründung kam, vom Kirchenchor überstanden worden sein. Aus anderen Unterlagen habe ich ersehen, dass viele Chormitglieder im ersten Weltkrieg an der Front gewesen sind, auch der Chorleiter Neuhausen war eingezogen. Wie mag es in dieser Zeit wohl um den Gesang bestellt gewesen sein? Ein strammes Regiment wurde später dem Chorleiter Neuhausen nachgesagt. Ob das wohl nicht nach einer solchen Zeit notwendig geworden ist? Was damals an Chorwerken aufgeführt wurde, mag uns heute nicht besonders wertvoll erscheinen. Wir genießen allerdings die Früchte der alten Gründerzeit. Damals musste man erst beginnen und wie so vieles andere hat sich auch der Geschmack in den Jahren geändert. Als unser Kirchenchor als Männergesangverein gegründet wurde - vor 125 Jahren - hatte auch unsere Kirche noch eine andere, eine barocke Ausstattung. Barock, froh und lebendig war das ganze kirchliche Leben des Bistums in damaliger Zeit. Man hatte schwere Zeiten hinter sich. Jetzt entstanden wieder viele kirchliche Vereine. Bald allerdings kam der Kulturkampf und vieles, was kurz aufgeblüht war, erlag wieder. Unsere Kirche legte den Barockschmuck ab und wurde neugotisch ausgestattet. Dann kam die Zeit, da man Mosaikböden und Marmorplatten als besonders schön empfand. Dieses sind Zeichen des Geschmackswandels, den es auch im Chorgesang gegeben hat. Immer aber hat man das Herz sprechen lassen und ist mit ganzem Herze beim Lobe Gottes gewesen. Wenn der Custor Neuhausen "seinen" Altar in der Kirche mit Blumen über Blumen und Kerzen über Kerzen ausstattete, wenn er dabei viele Stunden als Idealist verwandte, dann kann man begreifen, dass er ebenso mit ganzem Herzen bei der Gestaltung des Gottesdienstes durch den Chorgesang war. Da konnte im Eifer schon etwas übersehen werden. Wer kein Eiferer ist, wird auch nie etwas besonderes leisten. Auf diese Gedanken komme ich, wenn ich die Listen der Chormitglieder aus älterer und neuerer Zeit durchlese und dann dabei auch vielfach Daten des Ausscheidens aus dem Kirchenchor vermerkt sind. Es gehört schon ungeheuer viel Idealismus dazu, einem Kirchenchor anzugehören, nicht nur als Mitglied, sonder als Sängerin und Sänger, die sich verantwortend wissen, der Aufgabe aus Custos der Hl. Liturgie. Vor zwei Jahren haben wir vom Speicher über der Sakristei die alte Fahne des Kirchenchores heruntergeholt. Wir hofften, sie reinigen zu können. Wir mussten feststellen, dass die Fahne nicht gestickt oder durchgewebt war, sondern gemalt. Eine Reinigung wäre so gefährlich gewesen. Diese Weisheit hätten wir auch aus der Chronik holen können. Am 21. Juni 1931 feierte der Cäcilienverein sein 25-jähriges bzw. 75-jähriges Bestehen. Herr Paul Kühnen, der Vater unseres jetzigen Vorsitzenden Paul Kühnen, hatte das Amt des Schriftführers in der Generalversammlung vom 16.06.1931 übernommen. Mit ihm beginnen die Quellen für die Geschichte des Kirchenchores reichlicher zu fließen. In dieser Generalversammlung wurde auch die Anschaffung einer neuen Fahne von Herrn Kühnen beantragt. Am 21. Juni 1931 beim Cäcilienfest des Bezirkes Wesel-Emmerich wird diese Fahne geweiht undem Kirchenchor übergeben. Von der alten Fahne und ihrem Schicksal finden wir nichts mehr vor. Wenn ich mir das Jubiläumsfoto vom Jahr 1931 ansehe, fällt mir besonders auf, welch großen Wert man auf eine einheitliche Kleidung gelegt hat. Sie alle wissen, dass dieses bis in unsere Tage so geblieben ist. Ich weiß nicht, ob es damals auch schon große Debatten darüber gegeben hat. Unter Punkt 6) Verschiedenes der Generalversammlung vom 26.04.1931 heißt es schlicht: "Festanzug für die Sänger: Gehrock, weiße Krawatte, Zylinder, für die Damen: weißes Kleid."
Noch etwas ist Tradition bis heute geblieben. Auch damals hatte man schon Mühe und Last mit dem Fehlen einiger Mitglieder bei den Proben. Unter Punkt 5) heißt es: "Als Strafgelder wurden beschlossen, für unentschuldigtes Nichterscheinen in den Gesangsstunden 10 Pfennig zu erheben, für Zuspätkommen nichts". Dieser Tagesordnungspunkt kam auf Antrag des Sängers Terfurth zum Beschluss. Diese 10 Pfennig scheinen allerdings auch nicht geholfen zu haben. Im Laufe der Jahre ließt man immer wieder bei den Generalversammlungen bis in unsere Tage, dass dieses Übel akut geblieben ist.
Vom Gesang allein kann ein Zusammenhalt im Chor nicht herrühren. Die Geselligkeit hat ihre Bedeutung und ist daher gefragt. Ganz früh wird in den Chroniken schon von Ausflügen berichtet. So am 11.08.1929 nach Bedburg-Hau, später dann zum Drachenfels, zur Ahr, zur Dechenhöhle usw. Ein Foto vom Jahr 1932 gibt Auskunft über die damalige Fahrgelegenheit. Es ist ein Laster mit Anhänger. Später folgten dann schon bessere Fahrgelegenheiten , "die feinen Omnibusse", wie später bemerkt. Ein Höhepunkt war sicher die Fahrt auf dem Rhein. Der Vorsitzende, Herr Wilhelm Ramms, ließ sein Schiff, die "Johanna Maria", zum Passagierschiff umrüsten. Unter der Anleitung des Schiffszimmermanns Fritz Hellermann musste "der tiefe Bauch des Schiffes aufgestockt werden, Balken, Schienen und Bänke wurden herbeigeschafft". Eine Gulaschkanone durfte natürlich auch nicht fehlen. So konnte man von Bislich bis nach Götterswickerhamm starten. Die Damen des Chores hatten unterdessen eine köstliche Erbsensuppe bereitet, die hier verzehrt wurde. Dann ging es zurück bis zur Beek. Dort lud man den Kirchenchor von Krefeld-Königshof zu und es ging weiter rheinabwärts bis Grietherort. Kaffee und Kuchen mussten dabei verzehrt werden. Zurück zur Beek, wo die Krefelder ausgeladen wurden, dann nach Bislich, wo man an diesem schönen Sommerabend noch lange beisammen saß.
Hiermit endet eigentlich ein schöner Abschnitt aus der Geschichte des Chores. In der Chronik deutet sich schon das Zeitgeschehen an. Pfarrer Jansen hatte Bislich verlassen müssen. Die geistige Führung war auf Pfarrer Kühnen übergegangen. Wenn sonst in der Chronik lobend Mitglieder erwähnt wurden, die nur aufgrund ihrer Hochzeit aus dem Chor ausschieden "in einem feierlichen Hochamt mit geschmückter Kirche traten diese Mitglieder des Chores zum Traualtar" so heißt es jetzt: "ohne Grund" traten mehrere Mitglieder aus. Was "ohne Grund" bedeutete, wissen wir leider allzugut. Der äußere politische Druck war im dritten Reich zu groß geworden. Später heißt es dann: "Zwei Mitglieder wurden zum Heer einberufen". Am Patronatsfest konnte nicht mehr mehrstimmig gesungen werden. Am 30. Juni 1939 gehörten nur mehr 10 Damen und 9 Männer dem Chor an. Es war eine traurige Zeit. Schmunzeln muss ich allerdings, als ich unter Kriegsjahr 1942 las: "Der Januar braucht sehr strenge Kälte. Über 25° unter Null und mehr zeigte das Thermometer, zudem fußhoher Schnee. Auch der Februar brachte noch keine bessere Witterung. Trotzdem ließ unser ältestes Mitglied, Sophie Wikker, sich nicht abhalten, in den Ehestand zu treten. Seit 1924 Mitglied, ist sie Mitbegründerin des gemischten Chores. Am 10.02. wurde ihr abends das übliche Ständchen gebracht. Am 11.02. fand die feierliche Trauung in der Kirche statt". Dann aber heißt es: "Am 13. Februar begann man die beschlagnahmten Glocken abzumontieren....."
Mit ganz großem Interesse habe ich einige Male die Berichte aus den Kriegsjahren gelesen. Welch große Zuversicht zeigt sich dort immer. Die Mitgliederzahl des Chores wurde aufgrund der vielen Einberufungen immer geringer, vielleicht auch durch äußere, politische Umstände, Bombenalarm und sonstige Kriegsnot. Doch der Chor lebte weiter. Es wurde nicht nur geheiratet und das übliche Ständchen und das feierliche Amt fällig, es wurde auch regelmäßig das Cäcilienfest gefeiert. Auch im Krieg zauberte man noch Kaffe und Kuchen herbei. Selbst im Kriegsjahr 1944 gab es noch einen Ausflug. Am Sonntag, dem 05.06.1944, ging es nach Alpen. "Bei schönem Wetter wurden dort bei Kaffee und Kuchen, einem schönen Spaziergang durch den Alpener Forst, einige Stunden froh verlebt. Um 10:00 Uhr befand sich alles wieder im stillen Heim bei Mutter." Die Hauptaufgabe des Chores, die Gottesdienste zu gestalten, kann ich auch aus den Berichten herauslesen. Als 1945 in Schule und Pfarrheim Pioniere lagen, fand der Chor unter diesen sogar "ein gutes Quartett, welches Weihnachten den Chor unterstützte".
Die Kirche wurde zerstört. Nach den ersten Zerstörungen war man noch glücklich: "Das Gewölbe über der Orgel hatte gehalten, so dass dieselbe nur durch Luftdruck und Splitter starkt beschädigt ist." Die Orgel ist doch "Mitglied" des Kirchenchores. 1943 hatte sie schon einmal gestreikt. Als man damals das Cäcilienfest feiern wollte, war ein "Defekt in der Trompete", der sich nicht so schnell beheben ließ. So musste "eine Choralmesse, still wie in der Fastenzeit, gesungen werden. Doch mit Begeisterung erklang das Schlusslied: Ave Sankta Cäcilia." Die heilige Märtyrerin Cäcilia, Patronin des Kirchenchores, unterstützte auch die Mitglieder des Chores, als das Gotteshaus ganz zerstört wurde und man auf eine Notkirche ausweichen musste, als die Witterung einen Gottesdienst im Freien nicht mehr zuließ. Es wurde von der Familie Johann Boers ein Harmonium zur Verfügung gestellt. Der "alte" Herr Neuhausen,immer noch in Schwung, begeisterte die Chormitglieder. Am Cäcilienfest, "trotz der knappen Zeit hatten die Damen alles schön und reichlich besorgt" verlaß er ein Programm von Ostern 1933, dass er unter den von Schutt und Staub bedeckten Noten gefunden hatte, und "bat die Sänger, sich nun wieder wie früher mit altem Eifer an den Gesangsstunden zu beteiligen".
Ein paar Punkte: "und so konnte Weihnachten die vierstimmige Messe von Engel aufgeführt werden. "Der Chore gelangte bald wieder zu alter Höhe. Neue Mitglieder kamen zu den alten Mitgliedern und Heimgekehrten. Ostern wurde die Messe: Oh salutaris von Haller, Terra tremuit von Koenen, Regina coeli von Keim "recht gut gesungen".
Wir mögen heute darüber lächeln, wenn wir aber nachlesen, dass damals nur einzeln mit den Stimmen geprobt werden konnte in der Wohnung des Herrn Neuhausen, weil sonst keine Probenräume vorhanden waren, kann man nur Achtung vor dieser Leistung haben. Ave sankta Cäcilia.
In diesem Jahre schließen die Berichte von Herrn Neuhausen. Er hatte zusätzlich zum Amt des Dirigenten - und das nach seiner Pensionierung - auch noch das Amt des Schriftführers übernommen. 1946 findet wieder eine ordentliche Generalversammlung statt und Maria Hußmann wird zur Schriftführerin bestimmt.
Immer wieder lese ich in den Jahresberichten von Mitgliedern, die den Chor bereichern, nicht nur als Sänger, sondern auch als eifrige Helfer beim Wiederaufbau des Gotteshauses. Es wird nicht nur Holz in Diersfordt geschlagen, Schutt geräumt und Steine gepickt, es wird auch Theater gespielt. Sicher wird manchmal auch sonst Theater gemacht. Hier aber wurde ernsthaft geprobt für ein großes "Drama: 's Trauringl". Regie führte Fräulein Zöllner. Der Erlös der Aufführungen war für den Wiederaufbau der Kirche gedacht. Mit "hinein in die Arbeit" hatte 1948 der Vorsitzende Josef Terfurth die Generalversammlung beschlossen. Weihnachten konnte man schon in die Kirche einziehen. Neu eingeübte Weihnachtslieder konnten in der ersten Christmette nach dem Aufbau erklingen. Und jetzt, nach 6 Wochen Probe, konnte das Theaterstück aufgeführt werden: "In voll besetzten Sälen wurde das Theaterstück, das in den Hauptrollen mit dem Ehepaar Hemmers und der 6-jährigen Marlene Pumpe besetzt war, dreimal (Sonntag, Montag und Dienstag) aufgeführt. Es war ein durchschlagender Erfolg."
Maria Hussmann verlässt Bislich und Hedwig Ramms übernimmt die Aufgabe, die Chronik weiterzuführen.
So wie den Engeln gesungen Gottes Ruhm,
gehöre unser Lied zuerst dem Heiligtum!
Wie dann die Frohbotschaft sie kündeten auf Erden,
lasst Heilandsboten uns in Lied und Leben werden!
Diese Verse habe ich im Jahresbericht 1950 gefunden. Pfarrer Heinrich Kühnen sprach sie bei der Ehrung von 5 Jubilaren des Chores. Unter diesen Jubilaren war auch Hermann Neuhausen. Die Schriftführerin Hedwig Jansen schreibt dazu im selben Jahresbericht: "Unser Dirigent Hermann Neuhausen tritt in den Ruhestand. Damit ist ein Lebensabschnitt des Chores, den er 48 Jahre als Dirigent leitete, zu Ende gegangen ..."
Jubiläen bedeuten häufig Abschied. 1949 feierte man das 25-jährige Bestehen des gemischten Chores. Die Gründerinnen hatten mal wieder eingeladen. 7 waren es noch. Aufgrund ihrer Ehe waren sie ausgeschieden, oft auch weggezogen und so musste man von ihnen Abschied nehmen. Immer wieder steht aber auch in den Jahresberichten, dass man Verstorbenen ein Abschiedslied singen musste. So wechselten fröhliche und traurige Abschieslieder. Kein Lied, kein aufmunterndes Wort findet man allerdings für solche Mitglieder, die still Abschied genommen haben, weil sie vielleicht müde geworden waren. Diese Mitglieder haben aber doch auch in der Zeit ihrer Mitgliedschaft etwas zum "Gottesruhm" beigetragen und waren so "ein Heilandsbote in Lied und Leben", wie es in den Versen von Pfarrer Heinrich Kühnen heißt. Es ist daher schön, wenn bei besonderen Jubiläen alle wieder eingeladen sind. Ein Chor hat Bindungen gebracht, die nicht einfach unterbrochen werden, wenn jemand aus irgend einem Grunde den Chor verlässt. Ganz besonders deutlich wurde das bei Hermann Neuhausen. Er war nicht nur fast 50 Jahre Dirigent, er war ein "Lebensabschnitt" des Chores, wie die Schriftführerin sagte. Ich habe einmal in der Geschichte des Chores zurückgeblättert und festgestellt, dass es bis heute im Chor eigentlich nur 3 Dirigenten inder ganzen 125-jährigen Geschichte gegeben hat: Lehrer Langhoff von 1855 - 1895, dann ein kleines Zwischenspiel von fast 4 Jahren durch Johann van Bebber, aber dann schon Hermann Neuhausen von 1902 - 1950. Und von da ab unser heutiger Dirigent Theo Lenneps. In der Beständigkeit einer solchen musikalischen Leitung liegt die echte Begründung der Leisung unseres Kirchenchores.
Auf den Wert eines Präses, der ein Herz für den Chor hat, habe ich schon einmal hingewiesen. In Pfarrer Kühnen hatte der Chor so einen Präses gefunden. Wenn in diesen Zeilen von Kommen und Gehen berichtet wird, dann steht dort auch nicht nur von der Einführung des Pfarrers Kühnen im Jahr 1933, sondern auch, dass dieser hervorragende Präses des Kirchenchores 1962 sein Amt in jüngere Hände legen musste. Er hatte mit dem Chor die schwere Zeit des Krieges durchlebe und der Chor war mit ihm beiteiligt am Aufschwung in der Nachkriegszeit. Der Chor half Pfarrer Kühnen beim Wiederaubau der Kirche. Er leistete tätige Hilfe bei der Erstellung der Orgelbühne. Mit den Erträgen eines Theaterspiels trug man dazu bei, die Orgel in der Kirche wieder erklingen zu lassen. All das hört sich sehr stark nach Arbeit an und doch brachte es auch viel Freude für die Mitglieder des Chores, aber auch, besonders bei den Theaterspielen, für die ganze Gemeinde. Für machen hängen noch Erinnerungen daran, die ich durch die Aufzählung einiger Stücke versuche aufzufrischen: Unter der Leitung von Lehrer Ahrenhövel war es "Die Hubertushöhle". "Wenn du noch eine Mutter hast" brachte den Bewohnern von Bislich etwas Freude in die Herzen. 1953 berichtete sogar die Rheinische Post vom Erfolg des Schauspiels "Heimgefunden". 1954 ließ man es schon im Februar Mai werden mit dem Stück "Es war einmal im Maien". "Trotz Einüben des Theaterstückes wurden die Gesangsstunden wie gewöhnlich durchgeführt" schreibt die Chronik. Man war eben kein Theaterverein geworden, man war und blieb zuerst Kirchenchor und als solcher gab es viel zu tun. Ein neuer Dirigent bringt neuen Schwung. Es heißt einmal: "Durch den Zuwachs mehrerer neuer Mitglieder mussten die meisten Chöre und Messen neu eingeübt werden", doch es gilt auch so manches neue Werk sich anzueignen. Es kommen die großen Tage der Orgelweihe 1954, das 100-jährige Jubiläum 1955, das Dekanatsfest der Cäcilienchöre des Dekanates Rees 1957. Nicht zuletzt aber auch erstmalig eine Orchestermesse. Die Zeitung schreibt: "Schweres Werk mutig gemeistert. Das Patronatsfest seiner Pfarrgemeinde, das Fest der Enthauptung Johannes des Täufers, nahm der Kirchenchor "Cäcilia" Bislich zum Anlass, mit der Festmesse "Opus 57 von Ernst Tittel" ein kirchenmusikalisches Ereignis besonderer Art zu bieten". Das war 1961. Und 1962 musste dann der Präses verabschiedet werden. Stolz hatte er einmal in der Chronik geschrieben, dass Herr Lenneps eigens für ihn einen mehrstimmigen Satz zum Liede "Großer Gott wir loben dich" geschrieben habe. Dieses Lied geleitete ihn jetzt in den wohlverdienten Ruhestand. Bei allen Anstrengungen des Chores kam Freude und Erholung nicht zu kurz. Nur ein Beispiel dafür: Bei einem Ausflug des Chores zur Ahr heißt es: "Einige huldigten dem beliebten Ahrwein, verschiedene suchten sich für diesen Zweck den Keller aus (denen blieb dann natürlich auch nichts erspart), andere machten einen Spaziergang, ja und wieder andere hielten sogar ein Mittagsschläfchen unter freiem Himmel. Als es dann hieß: Sammeln zum Abfahren - ach du meine Güte, na ja, die Beteiligten werden es nie vergessen."
Nicht vergessen sind so manche eifrige Mitglieder des Chores, die mit einem besonderen Amt noch ihren zusätzlichen Dienst zum Gotteslob geleistet haben. Als Schriftführer steht in den Chroniken von 1930 bis 1936 Paul Kühnen sen. Bei der Generalversammlung 1938 unterschreibt Hedwig Jansen und bis Ende des Krieges Hermann Neuhausen. Am 21.10.1946 wurde Maria Hussmann zur Schriftführerin gewählt. 1950 wird Hedwig Ramms einstimmig gewählt. Sie wurde dann 1952 von Willi Nakath abgelöst. 1953 kommt Willi Giesen, der bis heute Schriftführer geblieben ist. Die Schriftführer wechselten mithin häufiger als die Dirigenten. Wenn wir diese allerdings nicht gehabt hätten, könnten wir heute keine Chronik schreiben und so manches Erlebnis aus früheren Jahren ginge verloren.
Oft habe ich gelesen, dass neuen Mitgliedern aus den Satzungen vorgelesen wurde. Satzungen sind gut und notwendig. Ich meine allerdings, dass sie neuen Mitgliedern recht wenig sagen. Mich hat es noch nie beeindruckt, wenn ich erst tausend Vorschriften zu hören bekam, um einer Gemeinschaft beitreten zu können. Nicht der Vorschriften wegen, sondern der Mitglieder und deren Begeisterung wegen tritt man doch einer Gemeinschaft bei. Sollte man in Zukunft bei Generalversammlungen nicht einmal stückweise etwas aus der Chronik vorlesen? Warum nur immer den letzten Jahresbericht? Wie ich schon in meiner Einleitung sagte, steht in der alten Chronik viel zu viel, als dass es hier alles aufgeführt werden könnte. Auch wenn es 1950 hieß: "die Beteiligten werden es nicht vergessen", glaube ich, dass man für Beteiligte und Nichtbeteiligte hin und wieder etwas auffrischen sollte. Vielleicht ist hier der Vorsitzende des Chores gefordert. Auch für diese gab es in den vergangenen Jahren ein Kommen und Gehen. Unsere Chronik beginnt nach einer Zusammenfassung der ersten Jahre mit der Generalversammlung von 1929: "Der Vorsitzende, Herr Wilhelm Ramms, eröffnete in Anwesenheit des Herrn Präses Pfarrer Jansen gegen 8:00 Uhr die Versammlung." Am 22.11.1939 steht: "Das diesjährige Cäcilienfest wurde der ernsten Kriegszeiten wegen in einfacher Weise gefeiert.... Der bisherige Vorsitzende, Herr Wilhelm Ramms, wurde zum Ehrenmitglied ernannt." In der ganzen Kriegszeit finde ich keinen Vorsitzenden. Erst in der Generalversammlung vom 21.10.1946 heißt es: "Um 20:00 Uhr eröffnete der Dirigent, Herr Neuhausen, die Versammlung und hieß die Erschienenen herzlich willkommen.... Bevor zur Vorstandswahl übergegangen wurde, ernannte der Dirigent im Auftrag aller Mitglieder das langjährige Mitglied Dickmann zum Ehrenmitglied.... Vorstandswahl: er wurden gewählt: 1. Vorsitzender Josef Terfurth, Vorstandsmitglieder Arnold te Leuken, Hedwig Jansen, Schriftführerin Maria Hussmann, Fahnenträger Theo Hemmers, Otto Wikker, Franz Michelbrink."
Jetzt gab es also nicht nur einen neuen Vorsitzenden, es gab mit ihm wieder einen ordentlichen Vorstand, einschließlich Fahnenträger, Die kommenden Versammlungen werden pünktlich vom Vorsitzenden Josef Terfurth eröffnet. Unter seinem Vorsitz geschieht der Wechsel der Dirigenten Hermann Neuhausen / Theo Lenneps. 1951 erscheint der Vorsitzende nicht pünktlich zur Eröffnung der Generalversammlung. Das Vorstandsmitglied Theodor Hemmers nahm daher die Eröffnung vor. Theodor Hemmers wurde dann auch in der anschließenden Neuwahl des Vorsitzenden zum 1. Vorsitzenden gewählt, da Josef Terfurth sein Amt zur Verfügung stellte. Nach dem großen Ereignis der Orgelweihe und dem 100-jährigen Jubiläum des Chores wurde in der Jahreshauptversammlung im November 1956 Paul Kühnen zum Vorsitzenden gewählt, nachdem Theodor Hemmers sein Amt niedergelegt hatte. Bis heute, also auch bis zum 125-jährigen Jubiläum, hat er die Leitung des Chores inne.
Das Kommen ist damit allerdings noch nicht ganz beendet. Pfarrer Kühnen war 1962 in den Ruhestand gegangen und als neuer Präses des Chores kam Pfarrer Dingermann. Die Chronik wird für mich dadurch lebendiger, da ich jetzt fast alles miterlebt habe. Ich könnte jetzt ins Erzählen hineingeraten, will aber bei meiner Zusammenfassung bleiben. Wenn Pfarrer Kühnen in den Ruhestand tritt bedeutet das nicht, dass mit einem neuen Pfarrer und Präses der Unruhestand eintreten muss. Und doch gibt es eine gewisse Unruhe, erst einmal, weil jeder neue Besen angeblich besser fegt, sicherlich aber anders, und dann, weil in dieser Zeit auch das Konzil mit seiner liturgischen Erneuerung so manchen neue für den Chor brachte und nicht zuletzt, weil unsere Kirche zwar aufgebaut war, aber jetzt doch langsam der Renovierung bedurfte. Schon in der ersten Generalversammlung griff der Kirchenchor eine Anregung des neuen Pfarrers auf und übernahm die Aufgabe der Gestaltung sogenannter Altentage. Am 13. Januar 1963 konnten erstmals die älteren Mitbürger im Saale bei Wissing zu einem gemütlichen Nachmittag versammelt werden. Kaffee und Kuchen, Lied und Theater, da konnte es draußen ruhig einmal kalt sein, innen im Saal wurde es einem warm und die Zeit zu kurz. So ging das Jahr für Jahr bis heute weiter. Es gab schon einmal eine Fahrt, zum Gesang kam später das Blasorchester, dann gab es Bilder aus älteren Zeiten, das Alter für die Teilnahme wurde von 70 auf 65 Jahre gesetzt, auch die evangelischen älteren Gemeindemitglieder wurden eingeladen, geblieben aber ist die Freude an diesen Tage sowohl bei den Eingeladenen wie auch bei den Veranstaltern, hier ganz besonders beim Kirchenchor, der sich freut, das Gotteslob in tätige Nächstenliebe umsetzen zu können. Mit der Renovierung der Kirche ergab sich der zeitweise Auszug aus der Kirche und eine Verkleinerung. Dem Chor wurde so für einige Zeit die Möglichkeit des Auftretens in der Kirche genommen. Es kam dann die Orgellose Zeit, ein kleines elektronisches Gerät konnte nur ein Behelf sein. Weitgehend war man auf a-capella-Gesänge angewiesen und dann wurde die alte Orgelbühne, die noch vom Kirchenchor mit aufgebaut war, abgerissen. Die Orgel wurde in den Altarraum verlegt. Jetzt konnte der Kirchenchor in seinem ursprünglichen Raum - dem Chorraum - wirklich ein Chor sein, der Hilfe der Gemeinde gibt beim Gotteslob und selbst aus ganzem Herzen dieses Lob singt. Die Umstellung ist für den einzelnen sicher nicht immer leicht gewesen. Das ist es allerdings auch, was ich in all den Jahren bei unserem Chor lobend feststellen muss: jede Anregung nimmt er willig auf und versucht im Rahmen seiner Möglichkeit, alles umzusetzen, auch wenn es ihm nicht leichfällt.
So konnte auch der Chorleiter Theo Lenneps es wagen, 1969 mit den Proben zur Kantate "Jesu meine Freude" von Johann Sebastian Bach zu beginnen. Bis dahin geschah allerdings noch manches Erwähnenswerte. 1967 kamen 14 Mädchen zum Chor hin. Mädchen bedeutet Schulkinder. Zusätzlich zu den üblichen Proben nahm Herr Lenneps sich die Zeit, diese Mädchen an das Niveau des Chores heranzuführen. Weihnachten 1967 heißt es schon, dass nach der Festandacht diesen kleinen Sängerinnen mit einem kleinen Geschenk Dank gesagt werden konnte für ihren Fleiß. Sie waren schon echte Mitglieder des Chores geworden. Heute sind das schon 13 Jahre her. Wie schön wäre es, wenn man auch mit Jungen solche Möglichkeiten hätte, sie an den Chor heranzuführen. Manchmal kann es schon scheinen, dass aus einem ursprünglichen Männerchor über einen gemischten Chor einst ein Frauenchor wird.
Viele Feste gab es zu feiern. Pfarrer Kühnen pflegte zu sagen, man brauche nur erst mal in ein gewisses Alter zu kommen, dann häuften sich die Feste von selbst. Der Chor konnte seinem alten Präses die Festhochämter singen zum 60-jährigen, zum 65-jährigen Priesterjubiläum und mit einem Choralrequiem ihn an seinem Begräbnistag, 02. April 1973, verabschieden zum wohlverdienten ewigen Ruhestand im Reiche Gottes. Wie immer gab es natürlich auch die Hochzeiten und Silberhochzeiten der Chormitglieder. Es hatte auch das Ehrenmitglied Gerhard Nakath seine Silberhochzeit zu feiern, allerdings nur im kleinen Rahmen. Der Chor bekam von ihm für die Glückwünsche als Dankesgabe eine Auffrischung der Kasse. Bei Goldhochzeiten wurde, wenn auch oft nur mit einer kleinen Besetzung, jedes Mal ein Hochamt gesungen. Erstmalig gab es Feiern für Ordensschwestern. Sie durften ja jetzt wieder die Heimat besuchen und hatten damit die Gelegenheit, ihre Ordensjubiläen in unserer Gemeinde zu feiern. Das war für unsere Gemeinde selbstverständlich ein Anlass der Freude und des Dankes an Gott und dazu gehörte der Chorgesang im Gottesdienst.
Feiern hört sich so leicht an. Für den Chor sind solche Feiern erst einmal mit vielen Proben verbunden, und dann ist das noch nicht immer selbstverständlich, dass alles klappen muss. Noch von vielem anderen hängt es ab, von der Stimmung, vom Wetter, vom Raum uns so weiter. Nicht zuletzt kann ein Chor aber auch nur gemeinsam singen, wenn man sich untereinander versteht. Das Mitmenschliche ist wichtig. Zu diesem Mitmenschlichen tragen auch in unserer Zeit die Ausflüge bei. Man kann zwar selbst überall hinfahren und tut es auch, man braucht dazu keinen Verein, der die Möglichkeit erst schaffen muss. Sinn unserer Ausflüge ist aber nicht, die Welt kennenzulernen, sondern das gegenseitige Kennenlernen. Man bedauert es oft, dass man in der Kirche zwar zusammen in einer Bank sitzt und sich doch nicht kennt. Wenn man allerdings zwei Stunden in einer Autoschlange auf der Autobahn sitzt, kommt man sich gewollt oder ungewollt näher. Abgesehen davon war der Ausflug nach Maria Laach eine Wucht. Man kann sich auch in der ganz nahen Umgebung freuen. Sicherlich ist der schöne Marsch durch den Diersfordter Wald noch nicht vergessen. Da konnte die ganze Familie teilnehmen. Ermatten brauchte keiner. Im Wald hatte Hans Köster überall wieder seinen Stand für Erfrischungen aufgebaut. Dann kam der Abschluss bei der Constanze. Ich erinnere mich noch, dass wir dort sogar einen neuen Dirigenten gefunden haben. Er hatte wenigstens riesige Freude, zusammen mit Theo Lenneps zu dirigieren. Ich glaube allerdings nicht, dass er vom Heiligen Geiste, sondern eher von einem anderen Geiste angetrieben wurde. Ausflüge wurden auch oft mit Gottesdiensten in anderen Gemeinden verbunden. Andere sollten doch auch einmal erfahren, dass man in Bislich einen guten Chor hat. Ich erinnere an Ostbevern, Qualburg und Haltern. Ich selbst denke aber ganz besonders gerne an das Scheunenfest bei Theo Nakath zurück. Schon in der Küche habe ich die Bereitung der guten Erbsensuppe miterlebt und schließlich dafür gesorgt, dass ich noch für ein paar Mahlzeiten Erbsensuppe mitnehmen konnte. Jetzt war es nicht der Hans, jetzt war es die Josephine, die für die Köstlichkeiten sorgte. So wie ich hier von der "Köstlichkeit" des Chores naschte, so nehmen alle ein klein wenig vom Chor bei seinen Auftritten mit. Das Fertige können wir erleben, vielleicht einmal hin und wieder in die Küche des Chores hineinsehen bei seinen Proben, aber die ganze Arbeit, die hinter jedem Auftritt liegt, die sehen wir nicht. So verstehe ich, dass selbst einmal Chormitglieder müde werden, wenn es sich um Stücke handelt, die nicht ganz so gefällig sind. So schreibt einmal der Chronist 1968: "Zwischen den festen Feiertagen wurde an einer Deutschen Messe von Heino Schubert geprobt. Doch wären die Proben besser gewesen, so hätte eine Aufführung wohl stattfinden können. Aber die Beteiligung bei den Proben ließ manchmal zu wünschen übrig." Doch auch Heino Schubert kam zu seinem Recht und mit ihm viele andere Werke. Gesungen wurde nicht nur in Bislich, man wurde eingeladen nach Mehrhoog, nach Brünen, nach Friedrichsfeld, und auch hier in Bislich trat man auf zusammen mit den Bläsern und dem Männergesangverein. Die Krönung aller Aufführungen scheint mir aber die Bachkantate "Jesu meine Freude" zu sein. Mir steht es nicht an, über die musikalische Qualität zu urteilen, ich kann nur meine einfachen Empfindungen wiedergeben. Sie wissen, dass ich 1975 ernsthaft erkrankte, bis in meine Fieberträume hinein hörte ich damals immer noch die Melodien aus Jesu meine Freude. Im Unterbewusstsein habe ich betend mitgesungen. Vielleicht sagt ihnen als Chormitglieder das mehr als so manche spätere Kritik. Ihr Gesang lebt weiter. Er ist uns allen, die wir ihn im Gottesdienst und bei besonderen Anlässen erleben dürfen, eine kleine Lebenshilfe. Er gibt Freude für den Augenblick und Kraft für schwere Stunden. Wie schade, so denke ich manchmal, dass "Jesu meine Freude" jetzt nicht mehr erklingt...... 1972 war die Aufführung. Sie wissen noch warum: Theodor Lenneps feierte sein 40-jähriges Dirigentenjubiläum. Wenn ein Dirigent mehr als nur die Anzahl der Jahre feiern will, dann muss er einen Chor vorweisen können, der seine Anstrengungen und Fähigkeiten widerspiegeln kann. Sie, meine lieben Chormitglieder, waren sein Spiegel. Nicht er allein wurde gefeiert und bejubelt. er und Sie gehörten zusammen und gehören es auch weiterhin. So konnten Sie alle mitfeiern, als Herr Lenneps 60 Jahre und 65 Jahre alt wurde, als er zusammen mit seiner Ehefrau die Silberne Hochzeit feierte. Sie konnten weiter mit ihm feiern, dass er wieder gesundete, als wir schon fürchteten, ihn nach Erreichung seines Rentenalters zu verlieren. Er blieb uns gesundheitlich aber auch in seiner Begeisterung erhalten. So steuern wir mit ihm dem großen Jubiläum des Chores zu. Am Feste Christi Himmelfahrt soll dem Chor die Palestrina-Medaille verliehen werden. Palestrina war, wie ich in einem Pfarrbrief schon einmal geschrieben habe, der erste Laie, der das Amt eines Dirigenten an der Peterskirche in Rom übernehmen durfte. An der Laterankirche war er vorher auch schon Sängerknabe gewesen. Nicht nur deshalb, sondern auch wegen seiner großen musikalischen Werke, die er für den Gottesdienst geschaffen hat. ist es eine Ehre, wenn man mit der Verleihung der Palestrina-Medaille gleichsam in seinen Chor aufgenommen wird.
"Jesu meine Freude" ....... Dieser Gesang lässt mich nicht mehr los. Als der Kirchenchor 1976 im feierlichen Primizamt von Theo Michelbrink singen durfte, war unser aller Freude nicht nur ein Dank an Gott, weil nach ganz langer Zeit wieder einmal ein Mitglied unserer Gemeinde zum Altare Gottes treten durfte. Es war auch ein Dank, weil er ein Sänger unserer Gemeinde gewesen war.
"Jesu meine Freude" wäre es auch, wenn viele aus unserer Gemeinde erst einmal wieder Sängerin in Sänger würden, sowohl im großen Chor der gottesdienstlichen Gemeinde als auch im Kirchenchor. Das erst ist doch der Nährboden dafür, dass auch weiterhin sich Menschen finden für das Gotteslob im Dienste am Mitmenschen. Schließlich muss es doch auch weiterhin immer wieder einen Präses für den Chor geben. Als scheidender Präses danke ich ihnen für vieles. Ganz besonders für: "Jesu meine Freude".
Ihr Präses
Pfarrer Gerhard Dingermann
Wesel-Bislich, im Mai 1980